05.08.2017 Clemens Marschall 1/2 19 Wiener Zeitung Gehenwirzu Calafati Nachwemwurde1963der Calafattiplatzbenannt? Wiener Ortsbezeichnungennach Zauberkünstlern Teil VIII. Von Clemens Marschall Wien. Basilio Calafatihatbei Sebastianvon Schwanenfeldzauberngelernt,dendie Wienervoller Respekt den Zauberervom Prater nannten ,so Robert Kaldy Karo, Begründerdes Instituts Kadotheum,einemwissenschaftlichen Archivder Zauberkunstim2. Wiener Gemeinde
[MEHR]bezirk. Calafatiwurdeaberbaldselbsteinehochgeschätzte Praterfigur,unddie Redewendung Gehenwirzu Calafati! bliebauchnochlangenachseinem Toddas Synonymfüreinenvergnügten Tagim Prater. Der Zauberkünstler Sebastianvon Schwanenfeldwarzwarim Pratertätig,gingallerdingsauchauf Tournee. Indieser Zeitbetrieben Assistentenseine Unternehmenim Praterweiter: Einervonihnenwar Basilio Calafati. Griechischer Sprösslingmit Phantasieund Geschäftssinn Erwargriechischer Abstammungundkam1800in Triestzur Welt. Sein Vaterwarein Teppichhändleraus Smyrnaundwohnte,alssein Sohngeborenwurde,ausberuflichen Gründenander Adria. Inder Kirchezum Heiligen Nikolausin Triestwurde Basilio Calafatinachgriechischorientalischem Ritusgetauft. Ihmwurdenschonals Sprösslingeinebunte Phantasiebegabungund Geschäftssinnnachgesagt. Alser Anfang20war,zogdie Familienach Wien geradezujener Zeit,als Metternichzum Staatskanzlergewordenwar. Seine Mutter Florentinawareinestadtbekannte Figurin Wien ,so Kaldy Karo. Siehatimmerweitetürkische Pluderhosengetragenundeinelangstielige Pfeifegeraucht. Basilio Calafativerbrachteimmermehr Zeitim Prater:ab1820als Salamucci,dasheißtals Salamiund Käseverkäufermit Bauchladen,späterals Taschenspieler,ab1822als Schwanenfelds Assistent. Schwanenfeld,der Calafatiwieseineneigenen Sohnbehandelte,besaßzusätzlichdie Praterhütte81undverkauftesie1834um1200 Guldenan Calafati,dersichdortals Taschenspielerproduzierte. Gleichzeitigbegann Calafatimitdem Umbauder Bude,damiterdortmitder Laterna Magica Geistererscheinungen vorführenkonnte. Indemverdunkelten Raumprojizierteer Bildervon Gespenstern, Skelettenundanderenschauerlichen Figuren. Dievisuellen Darstellungenwurdeneingebettetin Rauchund Blitzerscheinungensowieeineadäquate Geräuschkulisse. Die Vorstellungenwarensehrbeliebtund Calafatikonntesicheinkleines Vermögenverdienen. Am3. April1840erteiltedie Polizei Oberdirektiondemdamals40jährigen Calafatidie Konzessionzum Betriebeines Ringelspiels. Was Calafatinichtgeahnthatte: Dieser Tagsollteseine Legendebegründen. Das Ringelspielwaranfangsmit Holzpferdenausgestattet,dieer1844 im Zugeder Entwicklungdampfbetriebener Eisenbahnen durch Lokomotivenersetzte. Seinväterlicher Freund Schwanenfeldstarb1845im78. Lebensjahrinseiner Praterhütte. Calafa Gehenwirzu Calafati! warlangedas Synonymfüreinenvergnügten Tagim Prater. Zaubereiexperte Robert Kaldy Karotisgroßer Tatendrangwurdedadurchnichtgebremstundereröffnete1846eineigenes Restaurant. Dergroße Chineserwarder Schreckender Kinder Weitersließerdas Obergeschoßseineseinstzweistöckigen Eisenbahnkarussellsabtragen,wodurcheincircaneun Meterhoher Mastzum Vorscheinkam. Diesenstilisierteer1854alsasiatischen Amtsträgermitstolzem Blick. Deroffizielle Namedieser Attraktionwarzwar Zum Schwarzen Rössl ,dochim Wiener Volksmundetabliertesichdie Bezeichnung Zum Großen Chineser . Besonders Kindernflößtedieseexotische Figur Respektein,wardochalleinder Rosshaarzopf8 Meterlangund17 Kilogrammschwer. Der Schriftsteller Adelbert Muhrbeschreibtinseinem Praterbuch (1947)den Großen Chineser als Furchtzentrum : Unheimlichlangsamundwürdigdrehtesichdergelbe Riesenmannumseineeigene Achse. Wandteerunsden Rückenzu,woseinlangerschwarzer,seidigglänzender Zopfausschwindelnder Höheherabhing,wagteicheinenscheuen Blickhinauf;kamaberdasfiebergelbgewaltige Gesichtzum Vorschein,versteckteichmichan Mutters Schoßoder Vaters Achsel,wennermicham Armhielt. Hatteichderfatalistischen Götzenfratzemitdemdünnen Hängeschnurrbartunddenunergründlichen Schlitzaugenins Antlitzgeblickt,verfolgteesmichinunzähligenkindlichen Angstträumen. Calafatiwurdetrotz unzähliger Angstträume derungekrönte Königdes Praters,dersichauchumdasleibliche Wohlseines Publikumssorgte: Dieschattenspendenden Kastanienbäumeim Wirtshausgartenhatteereigenhändiggepflanzt,womöglichmit Hilfeseiner Frau Josefa Berndl,einer Erdberger Gärtnerstochter. Mitihrhatteerfünf Söhneundvier Töchter. Das Unternehmen 05.08.2017 Clemens Marschall 2/2 19 Wiener Zeitung wurdezueinemklassischen Familienbetrieb,indem Basilio Calafatiimmermehr Verantwortungund Freiheitandienächste Generationweitergab. Ein Ehrengrabam Wiener Zentralfriedhof Basilio Calafatistarb1878undwurdeaufdem St. Marxer Friedhofbestattet. Späterwurdesein Körperexhumiertunderbekamein Ehrengrabam Wiener Zentralfriedhof. Sein Sohn Theodor Calafati(18431921)führtedie Unternehmenfürdie Familieweiter,dochnachdessen Zeitsolltendie Besitzerwechseln.1922konnteeingeplanter Abrissvom Großen Chineser nochvom Denkmalamtverhindertwerden,1923kaufte Alexander Kobelkoffdiemittlerweilebaufällige Figursamt Karussell,umsieoriginalgetreuzurenovierenundzubetreiben. Dochden Zweiten Weltkriegsolltedas Wahrzeichennichtüberstehen. Eineposthume Ehrungerhieltdessen Urheberdennoch:1963wurdeim Praterder Calafattiplatz nachihmbenannt,zudem Kaldy Karosagt: Esistein Platzmiteinerfürchterlichen Statue,undeinem Schreibfehlerauch: Calafatiwirddortmitzweitals Calafattiausgegeben. Dennochkannman Schwanenfeldund Calafatialsdie Begründerder Zauberbudenundtheaterim Prateransehen. Am Calafatti Platzim Praterstehteine Statuedesnamensgebenden Zauberkünstlers. Foto: Peter Gugerell